Stellungnahme der SPD-Fraktion zum Haushaltsentwurf 2024

Veröffentlicht am 20.03.2024 in Kommunalpolitik

Sehr geehrter Herr Lingnau, liebe Kolleginnen und Kollegen,

heute stimmen wir über den Haushaltsentwurf 2024 ab, den Sie, Herr Bürgermeister Maar, in Ihrer Funktion als Kämmerer am 31. Januar ins Parlament eingebracht haben.  Der Weg von der Einbringung bis zur heutigen Abstimmung war ruckelig, mit einigen Stolpersteinen gepflastert und hier und da doch recht mühselig. Etwas, was außerhalb des Verantwortungsbereichs des Stadtkämmerers liegt, ist das konfuse Agieren des Wetteraukreises bezüglich der Festlegung von Kreis- und Schulumlage.  Zunächst wird eine Erhöhung der Kreisumlage von 31,10% auf 34,20% kommuniziert, die wenig später bei Einbringung des Haushalts wieder auf 31,10% zurückgenommen wird. Es wird eine Anhebung der Schulumlage von 13,87% auf 16,66% angekündigt, die dann auf 16,10% reduziert wird. Die Verantwortung mag formal beim Kreiskämmerer liegen, aber ich sehe bei solch wichtigen Fragen schon eine Gesamtverantwortung bei der Koalition aus CDU und SPD. Dieses Hin und Her macht die Haushaltsplanungen der Kommunen und die Diskussionen in den Parlamenten zu einer Farce, zumal schon im Dezember vielerorts die Haushaltssatzungen verabschiedet wurden.

In der Präsentation „Einbringung Haushaltsplan-Entwurf 2024“ schreibt der Kreiskämmerer:   

"Für die Mittelfristplanung wird eine kalkulatorische Kreisumlage als Fehlbedarfsdeckungsumlage herangezogen, um eine auskömmliche Finanzlage abzubilden."

Auf Nachfrage und Bitte von mir hat Bürgermeister Maar diese Sätze erfahren und sie uns in der HaFi-Sitzung am 14. März mitgeteilt:

2025:  38,89% (+ 7,79 Prozentpunkte gegenüber 2024)

2026:  38,85% (- 0,04 Prozentpunkte gegenüber 2025)

2027:  39,32%  (+ 0,47 Prozentpunkte gegenüber 2026)   

 

Anders als bisher, lässt der RP als Aufsichtsbehörde des Kreises kein offenes Defizit mehr zu, deshalb wird ein „Fehlbedarfsansatz“ im Kreishaushalt eingestellt. Aus kommunaler Sicht sollte man diese Zahlen im Hinterkopf haben und davon ausgehen, dass mit Blick nach vorne eine Anhebung der Kreisumlage mit hoher Wahrscheinlichkeit droht. Erfreulicherweise ist der mittelfristigen Planung des Rosbacher Haushalts schon eine Anhebung der Kreisumlage um 2,5%-Punkte enthalten.

Neben den externen Stolpersteinen gab es auch interne Versäumnisse, die den Beratungsprozess des Haushaltsentwurfs in die Länge gezogen haben. Zu diesen Punkten gehört u.a. auch die nicht-rechtzeitige Vorlage des Wirtschaftsplans, der wiederum Teil der Haushaltsunterlagen ist. Das haben wir gerade thematisiert und damit ist der Punkt auch abgehakt.

Ein anderer Punkt, der mich wirklich geärgert hat, ist folgender:

Zur Vorbereitung der Haushaltsberatungen wurde von der SPD-Fraktion folgende Frage gestellt:

Ausgehend vom aktuellen Schuldenstand Ende 2023, wie hoch ist die geplante Verschuldung des städtischen Haushalts zum Jahresende 2024 bis 2027?

Antwort:

Siehe Vorbericht Seite 37

Nun, wer Seite 37 des Vorberichts aufblättert, muss zur Kenntnis nehmen, dass hier nicht der Schuldenstand, sondern die Veränderung steht. Eine zentrale Größe zur Beurteilung der Finanzlage der Stadt fehlt also im ursprünglichen Haushaltsentwurf. Und es fällt einfach nicht auf!

So, jetzt wird noch die eine oder andere Pirouette gedreht, bei den Investitionen die ursprünglich für die Sanierung der Eisenkrain eingeplanten Zuschüsse des Bundes herausgenommen und in der Gremienvorlage für die heutige Haushaltsberatungen findet sich auf Seite 4 unten folgender Passus:

„In der Planung wird der Gesamtschuldenstand der Stadt bis zum Jahresende 2027 auf nunmehr insgesamt 45.401.641 € prognostiziert (Grafik Seite 53).“

Wenn Sie dann auf Seite 53 schauen, wird aber für Ende 2027 nicht ein Schuldenstand von 45,4 Mio. €, sondern von 49,9 Mio. € prognostiziert. Dies ist der korrekte Wert, so wie in der letzten HaFi-Sitzung vorgestellt. Mir wurde vorhin noch signalisiert, dass die Zinsaufwendungen sich auf den auf Seite 53 ausgewiesenen Schuldenpfad beziehen.    

Nun, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn die Planungen Realität werden und das ehrgeizige Investitionsprogramm wie vorgesehen umgesetzt wird, steigt der Schuldenstand von 22,8 Mio. € Anfang 2024 auf rund 50 Mio. € Ende 2027. Er nimmt also auf mehr als das Doppelte zu. Die ordentlichen Erträge belaufen sich dann auf 40,6 Mio. €, so dass Verhältnis Schulden zu ordentlichen Erträgen von 63% 2024 auf 123% 2027 nach oben springt. Die im Finanzstatusbericht ausgewiesen Zinsen für Investitionskredite klettern von 259.000 € auf 1.111.000 € zu, also auf mehr als das Vierfache.  

Erstaunt bin ich immer wieder zu hören, dass Parteien auf Bundes- und Landesebene für eine Schuldenbremse werben, aber auf kommunaler Ebene überhaupt kein Problem damit haben, die Kreditlinien kräftig hochzufahren. Die Schulden auf Bundes- und Landesebene sind verwerflich, aber auf kommunaler Ebene zu begrüßen.

Diese Dynamik in den Zinszahlungen ist so durchschlagend, dass sich das ordentliche Ergebnis – das ja aufgrund höherer Abschreibungen in Folge gestiegener Investitionen nach unten gezogen wird – von einem Überschuss in Höhe von 482.209 € 2024 in einen Fehlbetrag von 1.307.439 € 2027 verwandelt.

Welche Folgen hat das nun? Ein Blick in die HGO ist da ganz hilfreich! In § 92 HGO heißt es in Ziffer 5:

„Der Haushalt ist in der Planung ausgeglichen, wenn

  1. Der Ergebnishaushalt unter Berücksichtigung der Summe der vorgetragenen Jahresfehlbeträge im ordentlichen Ergebnis ausgeglichen oder der Fehlbedarf im ordentlichen Ergebnis durch die Rücklagen ausgeglichen werden kann.“

In der Planung bedeutet, dass wir bezüglich der Genehmigung nicht nur das Jahr 2024 im Auge haben müssen, sondern auch alle Folgejahre einschließlich 2027. 2024 ist kein Problem, da ein Überschuss im ordentlichen Ergebnis prognostiziert wird. Die zunehmenden Jahresfehlbeträge im ordentlichen Ergebnis 2025 bis 2027 werden sich aber entsprechend in einem Rückgang der ordentlichen Rücklage von 8,3 Mio. € auf 4,9 Mio. € niederschlagen. Vorausblickend werden also die Finanzspielräume immer enger. Die Krisenanfälligkeit der Rosbacher Finanzen nimmt zu; der Risikopuffer sinkt!

Hierbei ist aber noch gar nicht berücksichtigt, dass der Zinsanstieg der letzten Jahre sich noch nicht voll und ganz in den Haushaltszahlen niedergeschlagen hat. Zinsgünstige Kredite laufen aus und müssen durch neue ersetzt werden. Bei einem konstanten Schuldenstand von 50 Mio. € und einem Zinssatz von 3% belaufen sich die Finanzaufwendungen auf 1,5 Mio. €, bei 3,25% auf 1,625 Mio. € und bei 3,5% auf 1,750 Mio. €. Es bestehen hier also Aufwärtsrisiken.

Die sich unmittelbar anschließende Frage ist, was für Konsequenzen aus den Zahlen gezogen werden? Es gibt dafür drei Antworten. Die erste Antwort lautet: Das sind doch nur Planzahlen und wir wissen doch, dass es zumeist anders kommt als erwartet. Diese Aussage ist eine Nullnummer! Eine Planung beruht immer auf einem aktuellen Informationsstand, anders geht Planung nun mal nicht. Dies ist eine Grundsituation des Lebens.

Bei der zweiten Antwort muss ich immer an Sie denken, Herrn Egerter. Der Vorsitzende der größten Fraktion hat ja einen ausgeprägten politischen Beißreflex. Und der funktioniert in jeder Stadtverordnetenversammlung und in jeder HaFi-Sitzung. Seine Antwort wäre: „Wenn die SPD auf das Sportzentrum verzichten möchte, soll sie es doch beantragen. Und wenn sie auf die Sanierung des Rathauses verzichten möchte, soll sie dies auch beantragen. Die CDU steht zu beiden Projekten.“

Herr Egerter, natürlich steht die SPD-Fraktion zum Investitionsprogramm. Natürlich setzt sich die SPD-Fraktion 

+ für die grundhafte Sanierung des Feuerwehrhauses Rosbach

+ für die Erweiterung des Fuhrparks der Feuerwehr

+ für die Einrichtung eines Jugendplatzes

+ für  den KiTa-Neubau in Rodheim

+ für die Sanierung städtischer Liegenschaften

+ für ein neues Sportzentrum im Ober-Rosbach

+ für die Sanierung des Alten Rathauses

+ für die rasche Bebauung des Rodheimer Wohnbaugebietes Am Belgesbaum

+ für die Schließung von innerstädtischen Baulücken

ein. Diese Liste ließe sich weiter fortsetzen.

Die Politik ist nun aber kein - und das wäre die dritte Antwort - reines Wunschkonzert. Der Wirtschaftsminister, Robert Habeck, hat dies auf seine philosophisch tiefgründige Art vor kurzem so formuliert: „Wir sind umzingelt von Wirklichkeit.“ Wir sollten erkennen, dass die finanziellen Risiken zugenommen haben und kluge Politik gut beraten ist, sich rechtzeitig Gedanken zu machen, bevor wichtige Investitionsvorhaben in den tiefen Haushaltsbrunnen fallen. Nur ein Beispiel: Welche finanzpolitischen Optionen haben wir – anders ausgedrückt: Gibt es einen Plan B? - , wenn der Flüchtlingszustrom anhält und 2025, 2026 und 2027 jeweils eine Flüchtlingsunterkunft gebaut werden muss.

Und zu unserer dritten Antwort gehört auch: Der Verkauf von Flächen im Gewerbegebiet Ost muss  fortgesetzt werden, damit kontinuierlich Gelder ins Stadtsäckel fließen. Auch die Entwicklung eines 3. Bauabschnittes des Gewerbegebietes Ost ist sehr vernünftig. Aber bevor hier Gelder zufließen, müssen erst einmal Grundstücke auf Kredit erworben werden. Nun stellen Sie sich einmal vor, es gäbe eine strikte Schuldengrenze auf kommunaler Ebene: Der kreditfinanzierte Ankauf von Grundstücken zur Stadtentwicklung wäre ausgeschlossen – absurder geht es doch wirklich nicht mehr, oder? Auch benötigen wir die Pachteinnahmen aus dem Windpark Winterstein. Hier kann man ja nur hoffen, dass die Friedberger Stadtverordneten jetzt rasch auf die Zielgerade einbiegen und eine Entscheidung treffen.

In einem Punkt hätte die SPD-Fraktion einen anderen Weg beschritten. Wir hätten das Wohngebiet Obergärten II entwickelt, zumal die Planungen weit fortgeschritten waren und sich Grundstücke im erheblichen Umfang im Eigentum der Stadt befinden, deren Verkauf uns jetzt bei der Investitionsfinanzierung deutlich geholfen hätte. Auch eine parallele, abschnittsweise Entwicklung der Baugebiete Am Belgesbaum und Obergärten II ist auch aus heutiger Sicht immer noch machbar. Mitunter braucht die Stimme der Vernunft, die ja zumeist sehr leise daherkommt, ein wenig Zeit, bis sie erhört wird. Ich habe da die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben.

Mit dem Blick nach vorne, genügt es aber nicht nur den Ergebnis-, sondern es muss auch der Finanzhaushalt im Auge behalten werden. In § 92 HGO Absatz 5 Ziffer 2 heißt es :

(5) Der Haushalt ist in der Planung ausgeglichen, wenn

  1. ….

im Finanzhaushalt der Saldo des Zahlungsmittelflusses aus laufender Verwaltungstätigkeit mindestens so hoch ist, dass daraus die Auszahlungen zur ordentlichen Tilgung von Krediten sowie an das Sondervermögen "Hessenkasse" geleistet werden können, soweit die Auszahlungen zur ordentlichen Tilgung von Investitionskrediten nicht durch zweckgebundene Einzahlungen gedeckt sind.

In den Jahren 2024, 2025, 2026 und 2027 ist das KO-Kriterium nicht erfüllt. 2027 beträgt die Differenz zwischen dem geplanten Saldo des Zahlungsmittelzuflusses aus laufender Verwaltungstätigkeit  und ordentlicher Tilgung rund 1 Mio. €. Diese sich im Zeitablauf schrittweise aufbauende Lücke kann nur deshalb geschlossen werden, weil der Haushalt aktuell – also zu Jahresbeginn 2024 - einen hohen Zahlungsmittelbestand ausweist, und zwar in Höhe von knapp 8,7 Mio. €. Dieser Zahlungsmittelbestand baut sich jedoch bis Ende 2027 auf 1,4 Mio. € ab. Würde er zum Ende des Planungszeitraums unter die Nulllinie sacken, müssten wir schon heute ein Haushaltssicherungskonzept verabschieden. Auf diese Zusammenhänge hatte übrigens auch der Landrat in seinem Genehmigungsschreiben vom 13.07.2023 für das Haushaltsjahr 2023 hingewiesen:

„Die Stadt verfügt über ausreichend ungebundene Mittel, um die Ausgleichslücke zu decken. Auch für das Ende des Finanzplanungszeitraums wird ein positiver Zahlungsmittelbestand prognostiziert. Vor diesem Hintergrund können auch die Festsetzungen für den Gesamtbetrag der Kreditaufnahmen für Investitionen sowie für den Gesamtbetrag der Verpflichtungsermächtigungen genehmigt werden.“   

Zusammenfassend:

  1. Der Haushaltsentwurf 2024 ist genehmigungsfähig und genehmigungswürdig.
  2. Das Investitionsprogramm findet unsere Unterstützung
  3. Mit Blick nach vorne ist die Finanzlage der Stadt auf Basis der aktuellen Planungen als zunehmend kritisch einzustufen. Dies bestätigt auch die Ampel der KASH-Auswertung, die ab 2025 von „grün“ auf „gelb“ springt.
  4. Eine vorausschauende und kluge Politik nimmt die Warnsignale wahr und sucht nach Optionen, um nicht später einen schmerzhaften Anpassungsprozess einschlagen zu müssen. Diesen Weg sollten wir mit Blick auf den Haushaltsentwurf 2025 frühzeitig gemeinsam beschreiten.  
  5. Die SPD wird dem Haushaltsentwurf 2024 zustimmen.

 

Dr. Hans-Peter Rathjens, Fraktionsvorsitzender