Offener Brief der SPD-Landtagsfraktion an den Stadtelternbeirat der Stadt Rosbach

Veröffentlicht am 05.12.2016 in Kommunalpolitik

Gerhard Merz (MdL), Quelle: Wikipedia

Die Landtagsfraktion der hessischen SPD hat in einem offenen Brief eine Anfrage des Rosbacher Stadtelternbeirates beantwortet.  

Sehr geehrter Herr Kaul,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 23.Oktober 2016 und die ausführlichen Unterlagen zu den Kita-Gebühren in Rosbach v.d.H.

Wir können nachvollziehen, dass Sie einen Widerspruch zwischen der Forderung der Landes-SPD nach gebührenfreien Kitas und dem Handeln der örtlichen SPD sehen. Allerdings gibt es Gründe für diese scheinbare Diskrepanz, die wir Ihnen nachstehend erläutern.

Die Träger der Kinderbetreuungseinrichtungen erhalten vom Land Hessen nur äußerst mangelhafte Unterstützung bei den Betriebskosten. Sie als Elternbeirat wissen sicher, dass die Betriebskosten die Träger sehr viel mehr belasten als die einmaligen Investitionen. Personalkosten, Energiekosten und Miete – all das wird Monat für Monat fällig und addiert sich zum Jahresabschluss zu einer beträchtlichen Summe.

Das Land Hessen beteiligt sich an diesen Betriebskosten mit etwa 8% bis 10%. In anderen Bundesländern sieht das anders aus. Baden-Württemberg hat eine Vereinbarung mit den Kommunalen Spitzenverbänden abgeschlossen, wonach das Land 2/3 der Betriebskosten übernimmt unter Einbeziehung der Zuschüsse durch den Bund. Bayern zahlt zwischen 50% und 60% der Betriebskosten, Rheinland-Pfalz übernimmt zwischen 27% und 45% der Personalkosten, die den Löwenanteil an den Betriebskosten ausmachen. Wenn man diese Zahlen vergleicht, erkennt man unschwer, dass es die Träger der Kinderbetreuungseinrichtungen in Hessen nicht leicht haben.

Hinzu kommen bürokratische Hindernisse durch das so genannte Kinderförderungsgesetz (KiföG). Die Fördermittel müssen pro besetztem Platz zum Stichtag 1.März eines jeden Jahres sowie nach komplizierten Betreuungszeitmodellen beantragt werden. Lange Öffnungszeiten (über 35 Stunden) werden nicht den höheren Kosten entsprechend zusätzlich gefördert, der Träger ist aber verpflichtet, entsprechendes Personal einzustellen. Unter diesen Bedingungen leiden die Träger der Kitas und mit ihnen das Personal, die Eltern und nicht zuletzt die Kinder. Hinzu kommt, dass die Kommunen in den letzten Jahren zusätzlich weitere Einschnitte in der finanziellen Unterstützung durch das Land hinnehmen mussten. Etwa 430 Mio. € jährlich sind im so genannten Kommunalen Finanzausgleich gekürzt worden. Auch dieses Geld fehlt in den Bilanzen der hessischen Kommunen.

Kommunen unter dem sog. “Schutzschirm“ des Landes Hessen wurden zusätzlich geradezu gedrängt, die kommunalen Steuern, Abgaben und Gebühren, explizit auch die Kindertagesstätten-Entgelte, zu erhöhen. Das Land geht davon aus, dass die Kommunen 1/3 der Kosten aus Teilnahmeentgelten decken könne, das ist eine eher absurde Vorstellung. Das alles führt dazu, dass in Hessen landesweit an vielen Stellen die Gebührenschraube angezogen wurde.

Wir sind froh, dass in Rosbach eine Lösung für die Kita-Beiträge gefunden wurde, die von fast allen Fraktionen im Stadtparlament mitgetragen wurde und die eine moderatere Steigerung als ursprünglich vorgesehen beinhaltet. Dass dies dennoch die Eltern belastet, ist uns bewusst. Auch deshalb bleiben wir bei unserem Vorschlag, die Gebühren für Kindertagesstätten in Hessen Schritt für Schritt abzuschaffen. Einen ersten Gesetzentwurf hierzu hat die Mehrheit von CDU und Grünen im Landtag abgelehnt. Wir werden jetzt erneut mit einem Änderungsantrag zum Landeshaushalt 2017 aktiv werden, denn eine entscheidende Frage im Zusammenhang mit einer landesweiten weiteren Gebührenbefreiung ist die Kompensation der Einnahmeausfälle der Kommunen und freien Träger. Wir werden dann einen weiteren Gesetzentwurf zu Beginn des neuen Jahres vorlegen.

Wir sind der Auffassung, dass Kindertagesstätten Bildungseinrichtungen sind und dass Gebühren für diese Einrichtungen Bildungsbarrieren darstellen. Gerade Familien mit mittleren Einkommen werden durch diese Gebühren belastet. Gerade für die Mütter lohnt es sich manchmal kaum, erwerbstätig zu sein. Hinzu kommt, dass sich die Gebühren in Hessen mehr und mehr auseinander entwickeln. Einzelne reiche Kommunen nehmen schon jetzt keine Gebühren, in anderen Gemeinden steigen die Beiträge enorm. Von annähernd gleichen Bedingungen kann man nicht mehr sprechen. Das ist extrem ungerecht und familienfeindlich!

Wir sind sicher, dass über kurz oder lang Gebühren für Kitas entfallen müssen. Sie passen nicht mehr in eine Zeit, in der es selbstverständlich ist, dass beide Eltern erwerbstätig sind und in der der frühen Bildung angemessen Platz eingeräumt wird. Sie können daher sicher sein, dass wir unser Vorhaben, Gebühren für Kitas abzuschaffen, nicht aufgeben werden.

Mit freundlichen Grüßen

Gerhard Merz
Sozial- und Familienpolitischer Sprecher der SPD Landtagsfraktion